Erfahrungsbericht Martha
Wie alles kam...
Annika, Catrin und ich dachten uns zu Beginn des Studiums: Ach, ins Ausland zu gehen, das wäre doch nicht schlecht… und „deutsch-französisches Doppeldiplom“ hört sich ja nun
wirklich toll an… tja, und so schnell kann es gehen… nach vier langen Semestern „Französischunterricht“ und ein bisschen Papierkram ist es dann so weit: Koffer packen, „au revoir“ sagen und in den
Zug setzen…
Richtung: Das Land der Verrückten!
Jour 1:
Wir kommen mit dem Autozug in Narbonne/ Frankreich an, nach 14 ½ Stunden Autozugfahrt in einem seeeeeeehr kleinen Abteil, das voll besetzt war. Naja, wenigstens konnten wir ein bisschen
schlafen...wie sagt man doch so schön? Klein, aber gemütlich… so nun sind wir also in Narbonne… Catrin holt das Auto und fährt mit dem Auto nach Toulouse. Da das Auto voll mit Koffern, Taschen und
Schuhen ( Anm.: hey, für ein Jahr braucht man nun mal Schuhe… also eben mehr als ein Paar… oder auch zwei oder drei…) bis unters Dach voll ist, haben Annika und ich keinen Platz mehr und nehmen mit
weiteren Koffern und Rucksäcken bepackt den Zug.
Erste Herausforderung: Ticket auf Französisch kaufen. Annika schlägt sich tapfer.
Niemand hilft uns im Zug mit den Taschen, wir sind enttäuscht von den Franzosen. Auf der Fahrt wird einfach mitten in der Pampa angehalten. Zuerst wissen wir nicht warum, weil wir die Durchsage nicht
verstehen… zum Glück kommt sie noch einmal... irgendwas mit „problème“ und „technique“ hören wir raus… das Puzzle fügt sich zusammen…
Ankunft bei 40 Grad im Schatten mit 30 Min. Verspätung. Wir nehmen ein Taxi zum Akademischen Auslandsamt („Crous“), wo wir die „attestation“ für unser Zimmer im Wohnheim bekommen sollen. Der
Taxifahrer lobt unser französisch… gut, dass er nach vorne gucken muss, sonst hätte man ihm die Ironie am Gesicht ablesen können… Im Crous müssen wir ewig warten… dann wieder französisch reden… dann
weiter ins Wohnheim… Pech! Es ist 15 nach 4 und die Zimmer werden nur bis 4 vergeben… aber man hat Mitleid mit uns… alles läuft gut… bis wir die Tür zu unserem Zimmer aufmachen: klein, dreckig,
eklig, kein Internet, keine Küche… echt nicht! Wir haben das ganze Gebäude abgesucht! Aaaaah! Wir wollen nach Hause! Abends dann der erste Eindruck von Toulouse: Place de Capitol (=Hauptplatz von
Toulouse) - ein Traum! Tolles Flair! Naja, vielleicht doch nicht nach Hause…
Jour 2:
Wir beschließen, doch nicht wie zunächst geplant, eine Woche ans Meer zu fahren, sondern versuchen so schnell es geht, eine neue feste Bleibe zu suchen.
Im Crous gibt es Aushänge, wir sammeln Telefonnummern und rufen bei Franzosen an!
Ja, genau, FRANZOSEN!! Ist ein wenig schwierig, wenn man kein Französisch kann… aber gut, irgendwie ging es doch… da fällt mir die Weisheit von Herrn Jäger ein: „Es gibt keine
Probleme, nur Herausforderungen!“ Aha!
Bei einem Telefonat spreche ich so laut, dass ein Pärchen uns anspricht, sie hätten ein Zimmer für uns, sei nicht weit…
Was wir daraus gelernt haben:
- Die Franzosen lauschen.
- 10 französische = 20 deutsche Minuten
- Man kann innerhalb von 10 std. 100 km laufen, sogar mit Flip Flops... man spürt dann zwar seine Beine nicht mehr, aber was nicht tötet, härtet ja bekanntlich ab.
- Heulanfälle tun gut.
Jour 3:
Wie Jour 2: Telefonieren, laufen, laufen, telefonieren, laufen. Keine Wohnung dabei. Aber ein Zimmer für Annika… mit zwei Franzosen! Erster kleiner Erfolg.
Jour 4:
Wir hören, dass die Zimmer in den anderen Wohnheimgebäuden renoviert sind. Wir können es kaum glauben und begeben uns auf Mission: Wir gehen in das „verdächtige Gebäude“ und klopfen an irgendeiner
Tür. Es öffnet uns Hachem, ein Libanese, der zunächst ein wenig von unserem Vorhaben, sein Zimmer zu besichtigen, verwirrt ist, letztendlich aber doch unserem Charme unterliegt und uns Einblick ins
sein Zimmer gewährt.
Folge: wir kippen fast um vor Neid! Alles neu, schön, gemütlich und billig!!! Wir beschließen, am nächsten Morgen den Verantwortlichen im Akademischen Auslandsamt zu bestechen!
Feststellung: Langsam aber sicher werden wir kriminell!
Jour 5:
Wer hätte es gedacht: der Bestechungs-/ Überredungsversuch schlägt fehl. Wir sind am Boden zerstört.
Aber endlich haben wir ein wenig Zeit ins Internetcafé zu gehen und Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen!
Außerdem ist das der Tag der Tage für Catrin und mich: wir besichtigen ein „apartement“ und sind zufrieden. Jetzt muss nur noch Annika die Zusage für das WG-Zimmer bekommen. Tut sie auch! Wir kochen
und gehen auf „notre première fête en France“.
Feststellungen des Abends:
- Franzosen sind die Charmeure überhaupt (auch wenn die Freundin zwei Meter weiter steht)
- Geduld ist ihr zweiter Vorname, das muss man ihnen lassen! Selbst wenn man nach ihrem fünften Erklärungsversuch nicht versteht, was sie meinen, geben sie nicht auf!
- Man kann in Frankreich auf Feten gehen, obwohl man nicht eingeladen ist und bekommt trotzdem Bier und Wein!
Jour 6:
Catrin und ich unterschreiben den Mietvertrag. Es dauert drei Stunden, denn es muss seeehr viel von Hand geschrieben werden. Wir wissen bis heute nicht genau, was wir da unterschrieben haben!
Es wird ruhiger, und wir trösten unsere erste französische Freundin, weil ihr Freund sie verlassen hat… „Les hommes!“
Jour 7:
Juhuuuu! Das erste Mal ausschlafen seit Ankunft in Toulouse! Wir gönnen uns Bräunen im Schwimmbad.
Am Abend ziehen Catrin und ich um. Wir sind schon wie richtige Franzosen und parken mitten auf der Kreuzung… Jetzt kann es nur noch gut werden!
Fortsetzung folgt…